Zur Geschichte der Elektroautos / des Amperas

... alles, was zum Thema Ampera gehört, aber nicht in die anderen Foren passt
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Cpt Kirk
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Zur Geschichte der Elektroautos / des Amperas

Beitrag von Cpt Kirk »

Guten Tag allerseits. Letzthin las ich das Buch «Der Viktorianische Vibrator – Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik» von Frank Patalong. In Kapitel 3 geht es um Mobilität und auch um den frühen 'Wettkampf' zwischen dampfgetriebenen, elektrisch betriebenen Autos und solchen mit Verbrennungsmotor.

Ich fand die Lektüre höchst interessant und darum zitiere ich hier das für uns Wichtigste aus besagtem Kapitel. Wer wusste z. B. schon, dass es bereits 1902 ( :shock: ) einen Ampera gab? Viel Spaß beim Lesen!

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3. MOBILITÄT
Konkurrierende Konzepte: Was heißt hier eigentlich Auto?

Über wirklich geniale Köpfe sagt man gern, sie seien ihrer Zeit voraus. Mitunter kann man das wörtlich nehmen: Der Achtungserfolg, mit dem die Karriere des jungen österreichisch-deutschen Ingenieurs Ferdinand Porsche (1875—1951) begann, zeigt das mehr als deutlich. Im Alter von 21 Jahren begann Porsche, sich mit einer neuen Technik auseinanderzusetzen, die sich gerade anzuschicken schien, die automobile Fortbewegung von Grund auf zu revolutionieren.
Gemeint ist natürlich das Elektroauto und ab 1902 auch dessen flexibler Bruder, das Hybridfahrzeug. Und nein, ich verschätze mich nicht um 100 Jahre: Die aktuelle Diskussion um die beste, ökonomischste Antriebstechnik für Autos hat es tatsächlich schon einmal gegeben. Dass Elektrizität während des Fin de Siècle, des ausgehenden 19- Jahrhunderts also, eine große Rolle spielte, ist kaum überraschend - Strom wurde zur damaligen Zeit mit mehr Euphorie diskutiert als irgendetwas sonst.
Verblüffend daran ist heute nicht nur, dass Porsches grundlegendes Konzept eines Hybridwagens, der 1902 als »Mixte« gebaut wurde, dem Konzept heutiger Hybridfahrzeuge wie etwa dem Opel Ampera frappant ähnelt. Verblüffend ist vor allem, dass Elektroautos damals schon eine Geschichte hatten, Porsche demzufolge auf Technologien andocken konnte, die bereits bereitstanden.
Schon 1882 hatte der Franzose Charles Jeantaud das erste Elektroautomobil gebaut - was wie bei den meisten frühen Verbrennungsmotorwagen einer Kutsche mit Motor entsprach. Damit liegt die Erfindung des Elektroautomobils immerhin drei Jahre vor der Konstruktion der ersten Benzin-Motorwagen durch Daimler und Benz. In den Jahren bis zur Jahrhundertwende sollten beide Motorkonzepte in zahlreichen Fahrzeugtypen verbaut werden - und den eigentlich etablierten Motoren der Zeit zunehmend Konkurrenz machen. Heute ist »Automobil« fast Synonym für »Benzinfahrzeug«, doch das ist irreführend. Gemeint ist damit lediglich ein Wagen, der sich aus eigener Kraft fortbewegt. Das Wort stammt vom französischen »voiture automobile« — und damit war Ende des 19. Jahrhunderts eine pressluftgetriebene Straßenbahn gemeint. Die ersten Automobile aber waren von ganz anderer Bauart. […]

Porsches Durchbruch: Ein Hybridauto
1899 war auch das Jahr, in dem Ferdinand Porsche erstmals von sich reden machte. Sein damaliger Chef Ludwig Löhner hatte zwei Jahre zuvor an der Gründungsversammlung des Mitteleuropäischen Motorwagen-Vereins teilgenommen, und man wählte ihn in den Vorstand. Löhner hörte mit großem Interesse zu, wie der frisch gekürte Vorstandschef Adolf Klose sich die automobile Zukunft vorstellte: Insbesondere sein Glaube, E-Fahrzeuge seien die Zukunft des Stadtverkehrs, speiste sich aus Trends, die in England und Amerika gesetzt wurden.
Zurück in Wien, wo das von Löhner geführte Kutschenwerk zu den Lieferanten des Hofs gehörte, setzte er den jungen Ingenieur Porsche an die Aufgabe, ein elektrisch betriebenes Stadtfahrzeug zu entwerfen. Für Porsche, der zuvor als Elektroingenieur gearbeitet hatte, bedeutete das den Quereinstieg in den Autobau. Er brauchte zwei Jahre - und lieferte etwas ab, das seinesgleichen suchte.
Sein für die Löhner-Werke entwickelter Semper Vivus war ein für die Zeit ungewöhnlich elegantes Automobil, das es mit reiner Elektrokraft auf 50 km/h und — wenn man nicht durchgängig aufs Gaspedal drückte, sondern sich mit 35 km/h begnügte - auch etwa 50 Kilometer Reichweite brachte. Innovativ war daran so einiges: Der Vivus wurde als erstes E-Fahrzeug von Radnabenmotoren angetrieben, der Motor saß also auf den Rädern selbst. Das Fahrzeug sorgte auf der Weltausstellung in Paris 1900 für große Aufmerksamkeit — und für eine große Anzahl Aufträge. Der Brite E.W. Hart bestellte sich einen Vivus, welchen Porsche, dessen Name später das Synonym für rassige Raser werden sollte, für seinen Kunden noch einmal kräftig tunte: Er rüstete den Wagen zusätzlich mit Motoren aus, trieb also auch die hinteren Radnaben an, vervielfachte die Batteriekapazität und erreichte so Top-Geschwindigkeiten um 60 km/h. Nebenbei hatte er so den ersten Allradantrieb der Welt konstruiert.
Auch dieser litt jedoch weiterhin an der großen Schwäche der Elektrofahrzeuge: mangelnde Reichweite und hohes Batteriegewicht. Porsche erdachte eine Lösung, auf die man sich erst rund 100 Jahre später wieder besinnen sollte: Er kombinierte einfach den Elektroantrieb mit einem benzinbetriebenen Stromgenerator.
Im Mixte von 1902 - quasi dem Urgroßvater des Opel Ampera — trieben gleich zwei Benzinmotoren einen Generator an, der den Strom für den Radnabenmotor lieferte. Eine zwischengeschaltete Batterie pufferte Überproduktion ab, sodass der Mixte auf kurzen Strecken voll elektrisch fuhr. Trotz der zwei eingesetzten Motoren verbrauchte der Mixte damit deutlich weniger Benzin als die eigentlichen Benzinautos der Zeit. Porsches Hybridwagen holte aus einem Liter Sprit viermal so viel Leistung wie ein herkömmlicher Benziner. Der bis heute verblüffend modern erscheinende Mixte wurde so zum ersten echten Hybridfahrzeug der Welt - ein Elektroauto, das man »nachtanken« konnte. Dass am Ende insgesamt doch nur rund 300 Elektro- und Hybridporsche verkauft wurden, war eine Preisfrage: Damals wie heute führt die Elektrotechnik im Autobau zu erheblichen Mehrkosten. Am Ende hat der Benziner dann weltweit aus eben jenen Kosten¬gründen den Wettlauf gewonnen: Mit der Vorstellung des Ford Modell T im Jahr 1909 begann nicht etwa die Massenfertigung von Autos — auch die Geschwindigkeits-Rekordhalter Stanley fertigten und verkauften mehrere Zehntausend Dampfwagen - sondern die Fertigung von Autos für die Massen. Der Ford T kostete bald nur den Bruchteil des Geldes, das man für einen Dampfer oder ein E-Auto hinlegen musste.
Für eine kleine Weile noch hielten sich die Dampfwagen eine Marktnische als voluminöse, äußerst kraftvolle Edelkarossen - vorzugsweise für Zielgruppen, bei denen der Chauffeur den Kessel rechtzeitig anheizte, bevor die Herrschaften ausfahren wollten. Schon bald galten allerdings auch dort die V8-Motoren als deutlich schicker.
Den E-Autos ging es nicht viel besser. Selbst Porsches Hybridmodell hatte sich nicht durchsetzen können — kein Wunder in einer Zeit, in der Benzin kaum etwas kostete. Verbrauch war damals schlicht kein überzeugendes Argument. In den USA war der Elektrowagen etwas besser gelitten, zwar nicht auf dem Land, wohl aber in den Metropolen. Bis weit in die 1920er Jahre gelang es dort vor allem Detroit Electric, mehrere Tausend Autos im Jahr abzusetzen - vermarktet als zuverlässige Fahrzeuge für Damen.
Den Höhepunkt des Erfolgs verzeichnete Detroit Electric aus¬gerechnet zu einem Zeitpunkt, als sich die Ära der Elektrowagen eigentlich schon ihrem Ende zuneigte: Um das Jahr 1920 stiegen die Spritpreise zeitweilig überraschend an und bescherten dem Hersteller einen ebenso zeitweiligen Mini-Boom.
Der Anderson Detroit Electric, der seine Zuverlässigkeit im Jahr 1919 im Rahmen einer der letzten großen Publicity-Kampagnen auf einer Fahrt von Seattle zum Mount Rainier (satte 90 Kilometer entfernt!) unter Beweis stellen sollte, war gewissermaßen End- und Höhepunkt der frühen E-Auto-Entwicklung: Halbwegs preiswert, robust, rund 32 km/h schnell und mit einer Reichweite von immerhin über 130 Kilometern gesegnet. Selbst Henry Fords Ehefrau Clara fuhr einen — was Detroit Electric in seiner Werbung zu nutzen wusste. Ford selbst wird das kaum gekratzt haben: Er verkaufte Millionen Fahrzeuge, wo Detroit Electric nur läppische Tausende absetzte. Der letzte E-Wagen von Detroit fand 1939 seinen Käufer, dann schloss die Fabrik ihre Tore - die Zeit der Elektromobile schien ein für alle Mal vorbei. […]

Das Siemens Elektroauto
Hätte die Geschichte des Automobils anders verlaufen können? Anfang des 20. Jahrhunderts galt als offen, welche Technologie sich letztlich durchsetzen würde. Dampf- und Elektroautos hielten lange respektable Anteile an einem Automobilmarkt, der allerdings immer noch sehr klein war. Detroit Electric, der größte Elektroauto- Hersteller der Welt, schaffte in seinen Spitzenjahren nicht mehr als 2.000 Wagen im Jahr. Insgesamt muss er auf ähnliche Zahlen wie Stanley gekommen sein. Und Stanley, der erfolgreichste Dampfwagenhersteller, produzierte im Laufe seiner Firmengeschichte rund
50.000 Fahrzeuge - für die damalige Zeit eine enorme Zahl, aber nichts im Vergleich zu dem, was folgen sollte. Denn der Siegeszug des Benzinwagens war eine Art »arrested development«, eine verzögerte Entwicklung. Gebremst wurde er von der Notwendigkeit, dass eine völlig neue Infrastruktur aufgebaut werden musste. Und gemeint sind damit nicht nur Tankstellen, sondern vor allem die Förderungs- und Raffinierungsindustrie für den Treibstoff. Eine höchst kostspielige Sache, solange nicht genügend Abnehmer da waren - ein Henne-Ei-Problem, wenn man so will. Ohne Benzinautos kein Sprit, ohne Sprit keine Autos. Als der Benziner dann aber in Massen kam, entpuppte sich seine technische Plattform schnell als unschlagbar günstig. Ford ließ die Fertigung der »Tin Lizzy« Fort T durchrationalisieren - und verkaufte binnen weniger Jahre mehr Autos als alle Hersteller vor ihm. Sowohl Dampf- als auch Elektroautos waren nun weit teurer als Benziner, es setzte sich also am Ende die billigste Technologie durch. Zu ahnen war das Anfang des 20. Jahrhunderts nicht, und jeder schätzte die Chancen anders ein.
1907 stieg auch der deutsche Konzern Siemens in den Markt ein. Unter dem Dach der Siemens-Schuckert-Werke entstand eine Autofertigung, die sich natürlich ausschließlich auf den Elektroantrieb konzentrierte, war Siemens doch weltweit führend bei der Entwicklung elektrischer Nahverkehrsmittel - von Straßenbahnen bis zu Oberleitungsbussen.
Was Siemens dann vorstellte, war ein modulares Konzept: Ein Plattformauto, das sich technisch kaum von den anderen unterschied, aber dank vier verschiedener Chassis-Aufbauten in grundverschiedener Gestalt daherkam, je nach Nutzung. Das Grundmodell dieses Stadtwagens Type B, die Viktoria, war ein offener Viersitzer, dessen Passagiersitze mithilfe eines wegklappbaren Regendaches geschützt werden konnten - ein Cabrio, würden wir heute sagen. Das Landaulet war nichts anderes als die Hardtop-Version desselben Fahrzeugs, wobei allerding nur die Passagiere auf der Rücksitzbank in einer geschlossenen Kabine vor dem Wetter geschützt waren - nicht ungewöhnlich in einer Zeit, zu der Automobile ihr Kutschenerbe längst noch nicht komplett abgelegt hatten.
Ein heute ziemlich seltsam anmutendes Zwischending war die Droschke, die offen war, zwischen Fahrer und Passagiere aber eine feste Zwischenwand hatte. An dieser wurde bei Schlecht wetter das Faltdach befestigt, sodass die zahlenden Gäste schön im Trockenen saßen — die Droschke war als Taxi gedacht.
[…]
Was die Kosten betraf, so hatten E-Fahrzeuge um 1906/1907 ihre Nachteile, die sie zur Zeit des Lohner-Porsche noch so offensicht¬lich hatten, verloren. Das Rennen hätte ab hier offen verlaufen müssen. Tatsächlich erlebten E-Fahrzeuge in den USA genau ab dann bis circa 1915 ihre größte Verbreitung - natürlich in den Metropolen. Im weit weniger urbanen Deutschland aber ging die Rechnung nicht auf. Hatte Porsche von seinem astronomischteuren Mixte- und Semper-Vivus-Wagen noch rund 400 Exemplare verkaufen können, fanden nur rund 50 Siemens-E-Wagen einen Käufer.
Denn 1907 war der Punkt erreicht, an dem sich die Preise der verschiedenen Plattformen wieder auseinanderdividierten: Benzin und Benziner wurden immer billiger, E-Technik hingegen nicht - sie stagnierte sowohl leistungsmäßig als auch preislich.
Siemens zog bald schon die Konsequenzen und kaufte mit Pro¬tos eine Automarke auf, die neben E-Wagen auch Benziner herstellte. Den Bau von Elektrowagen ließ man bis 1911 auslaufen, in den USA hielten sich die Hersteller hingegen bis weit in die 1930er Jahre. Sein Gastspiel im Automobilmarkt beendete Siemens 1926, als es Protos an den Konkurrenten AEG verkaufte. Ein Jahr später war die Marke tot.
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Re: Zur Geschichte der Elektroautos / des Amperas

Beitrag von ObeliX »

danke für den auszug, das war interessant-unterhaltend. *thumbsup*


gruß Obel
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Re: Zur Geschichte der Elektroautos / des Amperas

Beitrag von sourcefinder »

Porsches Hybridwagen steht bei mir im Ort im Museum.
Sehr beeindruckend, ähnliches Prinzip wie der Ampera,;nur etwas analoger :D
Der Wagen ist sogar angemeldet.

Auf jeden Fall einen Besuch wert!
www.fahrtraum.at
**CU117**
15.09.15 gebrauchten Ampera gekauft mit 40.200 km
20.01.17 70.000 km überschritten
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