Das Carsharing/ÖPNV-Dilemma [Thema geteilt]

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swiss_ampera
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Das Carsharing/ÖPNV-Dilemma [Thema geteilt]

Beitrag von swiss_ampera »

Nachdem ich mich einige Zeit auf dem Opel Ampera Blog gewegt habe und die nun die Kommentarfunktion abgeschaltet haben, habe ich mich auf den Foren ausserhalb umgesehen.

Wenn ich mir die für und wieder hier auf der Seite ansehe, dann frage ich mich wirklich, ob einige in einer Traumwelt leben oder nicht. Gibt es hier ernsthaft eine Diskussion darüber, ob man einen bestimmten Autotyp fahren muss, um sich umweltfreundlich zu verhalten?

Die Frage an sich ist ja schon irrsinnig. Den einzigen Autotyp, den man fahren darf, um sich umweltfreundlich zu verhalten, ist der kostengünstigste überhaupt: keinen.

Man kann es so sagen: wenn an einer Ampel 30 Lenker in 30 Fahrzeugen, die mit irgendeinem Hybridsystem ausgestattet sind, warten und daneben steht ein, Bus, der noch 30 Sitzplätze frei hat, dann sehe ich dort nicht 30 Menschen, die die Umwelt schützen oder unseren Planeten retten. Nein, ich sehe 30 Leute, die, wenn sie sich abgesprochen hätten, möglicherweise Fahrgemeinschaften bilden könnten oder allesamt in den Bus steigen könnten.

Stattdessen sitzen wir alle in den Autos vor der Ampel und denken, wir retten die Welt, weil die richtige Marke auf dem Lenkrad steht, dass vor einem ist.

Wirkliche Ansätze, dass alles ein wenig intelligenter zu machen, lägen wohl eher in einem massiven Carsharing, um die vorhandenen Autos optimal zu nutzen (die müssen energieintensivst gebaut werden), dem Ausbau von Heimarbeitsplätzen (wieso muss ein SAP Entwickler zum Büro fahren, wenn er das alles von zu Hause aus machen könnte?) und dem viel stärkeren Einsatz von öffentlichen Verkehrsträgern. Gerade hier wäre in Deutschland noch viel Potential. So vermisse ich beispielsweise das Modell eines schweizer Generalabos schmerzlich. Damit kann ich um die 98% des öffentlichen Nahverkehrs in der gesamten Schweiz nutzen. So fahre ich morgens zum nächsten, passenden Bahnhof, dort bringt mich die S-Bahn zur Stadt und dort nutze ich die Strassenbahnen/Trams um weiterzukommen. Kein einziges Mal komme ich so in die Situation, Stop/Go in der Stadt mitmachen zu müssen.

In Deutschland wäre dies komplizierter. Alleine schon deswegen, weil es wohl nicht möglich wäre, ein gemeinsames Abo für S-Bahn und Strassenbahn zu bekommen. Und bei der S-Bahn wäre ich mir nicht sicher, ob die Pünktlchkeit in einem ausreichenden Rahmen sein würde. Wenn man also etwas für die Umwelt tun will, dann sollte man nicht das vermeintlich richtige Auto kaufen, sondern sich massiv dafür einsetzen, dass man sich bestimmte Fahrten sparen kann (z.B. wenn machbar durch Homeoffice oder Terminmanagement) und die Alternativen vor Ort einzusetzen.

Im Prius in der Stadt im Stop/Go neben einer Strassenbahn zu stehen ist genauso unsinnig wie mit einem Ampera elektrisch neben einem elektrischen Triebzug auf einer Bahntrasse herzufahren...

Was mich Wunder nimmt, sind die Vergleiche, die dann jedoch hier gezogen werden. DIe Nutzungsprofile der einzelnen Fahrzeuge sind ja doch verschieden. Opel bzw. das Entwicklungszentrum hat mit dem Volt ein Fahrzeug auf den Markt gebracht, dass eine bestimmte Distanz elektrisch fahren kann und dann jedoch nicht liegen bleiben soll. Ich habe nirgendwo gelesen, dass der Ampera mit dem Verbrenner sparsam sein soll. Offensichtlich bewegt er sich hier auf dem Niveau eines normalen Fahrzeugs - wobei auch 7 Liter für theoretische 150 PS und 1.7 Tonnen Gewicht heute gar kein schlechter Wert wären.Will man längere Distanzen überland fahren, dann braucht es einen Diesel unter der Haube. Allein schon deswegen, um eine ausreichende Reichweite zwischen den Tankstopps hinzubekommen. Wenn du mehr als 1000 km pro Woche fährst, willst du dann auch ein Auto haben, dass die 1000km ohne Unterbruch runterspulen kann...

Wenn ein anderes Fahrzeug darauf ausgelegt ist, bei Start und Stop besser zu sein, dann bitte. Wenn jemand vor dem Problem steht, viel Stop/Go machen zu müssen und keinen Bus, Eisenbahn oder Strassenbahn als Alternative hat, dann bitte. "Kaufen und froh sein, dass es angeboten wird" sollte die Devise sein.

Ich selbst versuche gerade mein privates Ampera Problem zu lösen. Meine 46km Pendeldistanz zum S-Bahnhof werde ich frühstens 2025 los, wenn ETCS flächendeckend da ist. Ich diskutiere gerade mit meinem Stellplatzvermieter ob ich eine Ladestation einrichten darf und mit der m-way, eine Tochter der Migros, ob der grösste Detailhändler der Schweiz in seinen Parkhäusern keine Ladestationen einrichten mag. Ersteres scheitert, da jede nicht direkt renditebringende Investition geblockt wird, letzteres ist derzeit auch nicht mehr als ein Strohfeuer, da Elektromobilität eben ein Imagethema ist. Und die Migros würde kaum für einen "Deppen" ein Parkhaus nachts öffnen oder ihm Zutritt geben, nur damit er sein Auto anstecken kann. Ausserdem, für 50.000 CHF kauft sich der Schweizer einen V6 - keinen 1.4l Benzin-Elektro-irgendwas.

Bis ich die Ladestation habe, fallen die 46km vermutlich weg. Entweder, weil ich dann öfters Homeoffice machen kann und sie nicht mehr fahren muss - das wäre für die Umwelt das beste, weil ich dann einen direkten Zug habe oder weil bis dahin der Job wieder wechselt.

Vielleicht schaffe ich es aber, so zu einer ersten und guten Probefahrt mit einem Volt zu kommen. Sollte das klappen, dann berichte ich davon gerne.
Tachy
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Re: Das Carsharing/ÖPNV-Dilemma [Thema geteilt]

Beitrag von Tachy »

Hallo swiss_ampera,

Du sprichst ein sehr interessantes Thema an, das ich auch immer wieder einmal diskutiere.

ich glaube nicht, dass sich der Individualverkehr mit althergebrachten Alternativen wie dem klassischen Carsharing und dem ÖPNV ablösen lässt. Ich präzisiere das einmal: ...zumindest nicht außerhalb der Städte!

ÖPNV funktioniert auf dem Land nicht, weil viel weniger Leute pro Quadratkilometer zu einer bestimmten Zeit zu weit voneinander entfernten Zielen fahren möchten. Mit Bussen, ob groß oder klein und festen Fahrplänen artet das zu einer kleinen Weltreise aus. Für die Busunternehmen lohnt sich der Betrieb gar nicht.

Bei Carsharing haben wir das selbe Problem: Auf dem Land ist die Dichte der Autos zu gering und die Anforderungen an individuelle Fahrten zu groß.

Meiner Meinung kommt man hier nur mit einer intelligenten Version zwischen Mitfahrgelegenheit und Trampen weiter, der Ansatz hierzu ist Flinc:

http://www.flinc.org

Das ist eine Art smartphonebasierte Mitfahrzentrale, die spontan und ohne Planung im Voraus funktioniert. Man stellt sich an die Straße und gibt dem System an, wo man hinfahren will. Das System vermittelt diese Mitfahrt in Echtzeit an gerade vorbeifahrende Autofahrer, die das System im Navi integriert haben.
swiss_ampera
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Re: Das Carsharing/ÖPNV-Dilemma [Thema geteilt]

Beitrag von swiss_ampera »

Bzgl. der Mitfahrerzentralen habe ich so meine persönlichen Probleme. Fahrgemeinschaften habe ich schon öfters gebildet, immer dann, wenn es sinnvoll war und eben auch realisierbar. Nur wildfremde Leute mitzunehmen, wäre für mich schon ein Problem. Das System als solches erscheint mir schon recht schlau. Man fragt herum, wer in der Nähe ist und wer wohin will. Sobald man eine kritische Masse an Teilnehmern hat, sollte das funktionieren.

Offen ist dann eben der Punkt der Sicherheit. Wie wird dafür gesorgt, dass derjenige, der dann zu einem ins Auto steigt auch derjenige ist, der sich angemeldet hat? Wenn ich die Sicherheit hätte, dann kann man ja entsprechende Vorkehrungen einbauen. Beispielsweise könnten Frauen dann dafür sorgen, dass nur Frauen mitfahren können. Oder man kann vielleicht soziale Komponenten mit einbinden. Die Idee ist sicherlich gut.

Mit dem Land ist es so eine Sache. Man hat es in DE leider zugelassen, dass verschiedene, kleinere Bahntrassen eingestellt und rückgebaut wurden. Das ist ein riesen Fehler gewesen. Ich wohne in einem Dorf mit 4000 Einwohnern. Dort hat es noch einen Bahnhof und eine entsprechende Verbindung - leider geht die für mich in genau die falsche Richtung, sonst bräuchte ich den Wagen heute nicht mehr.

Das ganze ist, wie du richtig schreibst, nicht rentabel. Es ist ein riesen Zuschussgeschäft. Das gibt natürlich kein Mensch zu und es wird immer schön versteckt kommuniziert. Die SBB und die Kantone sprechen dann vom Aufteilen der Kosten. In Wahrheit geht es darum, dass der Kanton den Anteil, der durch die Verkaufserlöse nicht hineinkommt, selber bezahlt.

Wenn in Deutschland mal wieder die Subventionskeule geschwungen werden sollte, dann wäre ich dafür, die Bahninfrastruktur zu erneuern. Nicht nur auf den schnellen, 300 km/h Strecken, sondern vor allem im Regionalverkehr. Die Gleise, die man schon abgebaut hat, wird es nicht mehr geben. Aber man könnte immerhin die noch vorhandenen besser benutzen.

Wàre doch praktisch, wenn man ein halbwegs funktionierendes S-Bahn System hätte, dass auch leicht ins Land hineingeht. Dann könnten die Leute dort ihre Autos stehen lassen und weiterfahren. In Summe macht das nur einen kleinen Teil aus. Was bringt ein 100 Auto Parkplatz, wenn es 40000 Autos in die Stadt zieht? Aber es ist eben ein Anfang.

Wenn die Elektroautos heute eine Reichweite von 40-80 km (also 20-40 hin und zurück) haben, müsste dieses S-Bahn Netz nichmal so extrem dicht sein. Und selbst ein Ampera dann pro Tag noch einen Liter echtes Benzin verfeuern müsste, wäre die Bilanz als solche gar nicht schlecht. Dann wäre natürlich zu klären, woher der Strom kommt. Das ist dann das nächste Thema.
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Kurt_Woloch
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Re: Das Carsharing/ÖPNV-Dilemma [Thema geteilt]

Beitrag von Kurt_Woloch »

Bei uns in Wien gibt es auch Carsharing. Da gibt es einmal Denzel, der mit fixen Standorten (meist Garagen) arbeitet. Nachteil: Die Standorte sind fix und wenn jemand nicht gleich neben einer Garage wohnt, muss er zuerst einmal öffentlich hinfahren. Dazu kommen dann noch die Kosten, die nicht sehr unter den laufenden Kosten eines eigenen Autos liegen, ausser man braucht letzteres sehr selten. Für den Durchschnittsbenutzer ist das so wohl nicht rentabel.

Ganz neu bei uns ist jetzt die Firma car2go, die mit einem "Geschäftsgebiet" arbeitet, in dem man das Auto beliebig abstellen und somit die Miete beenden kann. Die angebotenen Fahrzeuge sind allerdings allesamt Benzin-Smarts. Und das Geschäftsgebiet umfaßt nur das dichter bewohnte Wiener Stadtgebiet, geht z.B. in Floridsdorf (21. Bezirk von Wien) nördlich nur bis zur Schloßhofer Straße, aber nicht bis zur Siemensstraße, wo ich wohne (und wo absurderweise trotzdem Werbeplakate für Car2go angebracht wurden).

In diesem Zusammenhang blicke ich neidisch nach Amsterdam, wo car2go auch vertreten ist, allerdings mit einer Flotte von Elektrofahrzeugen! Bei uns war man leider nicht so mutig, da gibt es den altbekannten Benzinmotor.

Denzel bietet aber auch Elektrofahrzeuge zum Carsharing an... leider nur an einem Standort (Westbahnhof) und nur zu einem Tagespreis von € 72,-, während die meisten anderen Fahrzeuge stundenweise verrechnet werden.
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